Gradieren ist genuin davon abhängig, dass eine Größentabelle mit immer den gleichen Sprüngen von Normalfigur-Größe, bspw. Gr. 38, zu Normalfigur-Größe, bspw. Gr. 40, vorliegt. Es kann von Firma zu Firma Unterschiede geben. Im Handwerk und in der Haute Couture wird i.d.R. nicht gradiert, sondern auf Maß, oft auf Problemfigur, geschneidert. In der Industrie werden Schnitte aus Kostengründen gradiert. Die Grundschnitte und Modellschnitte werden nicht in jeder Größe von Grund auf neu konstruiert. Das ist unnötig und wäre viel zu teuer.
Beim Gradieren werden alle prägnanten Punkte, bspw. der Schulterpunkt, Ärmelpunkt, für jede weitere Größe um den gleichen Betrag (Erfahrungswerte) nach rechts und nach oben verschoben. Es wird also nie nur verbreitert. Verbindet man diese Schulterpunkte, z.B. auf einem Schnittmusterbogen (der alle Größen enthält), entsteht eine Gerade. Kennt man den Steigungswinkel dieser Geraden, kann man entlang dieser Geraden gradieren.
Das Gradieren funktioniert nur bei Normalfigur und wird nur in der Industrie, nicht im Handwerk, wo es meist um Maßschnitte geht, angewendet. Bei einer Problemfigur müssen Anproben durchgeführt werden, der Schnitt wird nach bewährten Regeln am Körper, also dreidimensional, angepasst. Eine rein zweidimensionale Anpassung auf die individuellen Maße ("Eigenmaßgradieren") auf dem Tisch wird von Fachleuten nicht versucht.
Im Handwerk werden Schnitte daher nicht gradiert. Hier wird Kleidung auf Maß mit Hilfe von Schnittanpassungen (Erfahrungswerte) und Anproben auf den Körper oder auf eine nach den Maßen der Kundin angefertigte Schneiderpuppe (Haute Couture) abgeformt. Individuelle Abweichungen in Haltung und Figur wie Rundrücken, Schiefstand können nicht am Zeichenbrett durch Differenzbildung zwischen Ist- und Soll-Wert "gradiert" werden. Das wäre dann auch keine Gradierung, die ja nur in gleichmäßigen Schritten von einer Größe zur nächsten funktioniert. Dies würde nicht zum Erfolg führen, wie auch die Konstruktion eines Grundschnitts mit den individuellen Maßen, wenn diese weit vom Durchschnitt abweichen, nicht funktioniert.
Auch in der Schuhindustrie wird gradiert. Maßschuhe jedoch werden mit Hilfe eines Holzmodells gefertigt. Ein "Gradierung" von Schnittmustern wäre auch für Maßschuhe viel zu ungenau.
Konfektion (Prêt-à-porter) ist die industriell organisierte Produktion von Kleidung in Serienfertigung, in vorher festgelegter Stückzahl sowie Größenreihe. Die Konfektion steht im Gegensatz zur Maßschneiderei (mit einer oder mehreren Anproben im Herstellungsprozess).
In der HAKA (Herrenmode) und KOB (Kindermode) wird nach dem gleichen Verfahren gradiert. Es gibt keine Maßtabelle für Kinder. Es gibt eine Maßtabelle für Mädchen und eine für Jungs.
Größe 152: 12 Jahre, Tu Mädchen: 64 cm, Tu Jungen 70
Größe 182: Tu Mädchen: 71,5 cm, Tu Jungen 82 cm
Hier wurde am Saum nur die Breite gradiert. Die Länge wurde nicht bei allen, sondern nur bei einem Größensprung gradiert.
Gradierpunkte müssen auf einer Geraden liegen. Hier liegt ein Gradierfehler vor, da die Gradierpunkte nicht auf einer Geraden liegen.
Oben siehst du einen Fehler beim Zeichnen der kurvigen Seitennaht, der Stoff zieht nach oben, Stressfalten entstehen.